Freitag, 20.2.2015
28 von 30 Bestrahlungstagen, 50,4 Gray Energiedosis gegen meinen Krebs.
Hatte ich da vor einer Woche tatsächlich geschrieben, dass ich mich müde und abgeschlagen fühle???
HA!
Das war ja nur ein lockerer Vorgeschmack von dieser, jetzt vergangenen Woche!
Nach dem interessanten Montag mit dem Auftritt vor der Studentengruppe hatte ich mir gedacht, dass es gut sei, ein wenig soziale Kontakte zu pflegen. Nach dem Fußball-Stadion-Besuch am Montagabend treffe ich mich also am Dienstag mit einem Freund nach dessen Feierabend in der Innenstadt, am Mittwoch nach Feierabend mit einem Freund in Altona. Mittags mal ein Tee mit meinem Schutzengel in der Nachbarschaft.
Außer meinen Bestrahlungen habe ich an diesen Tagen nichts anderes auszuhalten gehabt. Okay, am Dienstag hatte ich mir mal einen kompletten Ausbruch aus meinem strengen Ernährungsplan gewagt und mir nach der Bestrahlung ein tolles Frühstück in einem Café gegönnt. Wie überraschend für einen Dienstagmorgen: fünf Minuten nach Öffnung des Cafés gibt es kaum noch freie Plätze für ein Frühstück! Alles ist voll. Wie kann das sein? Es gibt offenkundig ein Leben neben der Arbeitswelt, von der ich bisher gar keine Ahnung hatte.
Ach – Weißmehlbrötchen, Butter, Marmelade, Käse, Wurst, Milchkaffee. Eine einzige Ernährungssünde ist dieses Frühstück! Doch der Seele tut das mal gut.
Aber insgesamt bin ich mit dem geschilderten, lächerlichen Programm kräftemäßig völlig überfordert. Nach dem Treffen am Mittwoch bin ich zwar abends um 19 Uhr zuhause, schlafe aber – sitzend auf einem Sessel vor dem TV – umgehend ein und wache erst nach der Tagesschau wieder auf. Völlig erschöpft, mit dem Gefühl: Nichts geht mehr!
In den Folgetagen gönne ich mir jeweils drei bis vier Stunden Schlaf am Nachmittag. Das hindert mich aber keinesfalls daran, auch nachts mein übliches Pensum Schlaf zu nehmen. Insgesamt brauche ich derzeit 10-12 Stunden Schlaf. Von Tag zu Tag werde ich schlapper. Das Reparatursystem in meinem Körper (und das soll es ja auch!) läuft dermaßen auf Hochtouren, dass es offenbar kaum Reserven für anderes gibt.
Es ist mir schon fast unheimlich, wie die Wirkung der Bestrahlung mich zunehmend geradezu umhaut. Habe ich tatsächlich die erste Hälfte der Bestrahlungen überstanden, ohne, dass ich kräftemäßig besondere Wirkungen bemerkt habe? Oder war das in einem anderen Leben? Ob es wohl normal ist, dass sich dies zum Ende der Bestrahlung so ballt?
Zusätzlich zu meiner körperlichen Schwäche gesellt sich eine gewisse, ja…, geistige Trägheit. Ohne besondere Ansprüche verlaufen die Tage, ein irgendwie halbwegs inspirierter Gesprächspartner bin ich derzeit wohl nicht. Wenn ich mir vornehme, mich auf irgendetwas zu konzentrieren, und sei es nur meine Internetseite – dann gelingt mir dies kaum. Am liebsten starre ich bräsig auf die Glotze. Oder spiele anspruchslose Computerspiele – was ich über 20 Jahre lang nicht mehr gemacht habe.
Im Kollegenkreis und in meiner Nachbarschaft macht wegen meiner knallroten Haut rund um die Nase inzwischen die Ansicht die Runde, dass ich wohl ausgiebig in Skiurlaub sei.
Ein Skiurlaub im UKE in Hamburg-Eppendorf?? Wie soll das denn gehen? Nein, mein Gefühl ist ein völlig anderes: Eigentlich fühle ich mich inzwischen viel mehr wie ein Brathähnchen. Meine Haut rund um die Nase fühlt sich wie frisch gegrillt an. Allerdings weigere ich mich als Brathähnchen, schön kross zu werden und bin regelmäßig fleißig am cremen.
Immerhin: Die ganze Woche über war eher freundliches Winterwetter. Den Weg in die Klinik und alle sonstigen Wege lege ich jeden Tag per Fahrrad zurück – und fühle mich dadurch immerhin als einigermaßen vollständiger Mensch. Denn: Brathähnchen fahren nicht Fahrrad! Und es stimmt auch, nach wie vor: Mäßige Bewegung tut mir gut! Genau, wie es mir vor dem Beginn der Strahlentherapie empfohlen wurde. Immerhin dies behalte ich stoisch bei!
Ein ganz anderer Gedanke: Grundsätzlich muss ich jetzt gegen Ende der Bestrahlungszeit feststellen, dass ich mich insgesamt im UKE und jetzt speziell in der Strahlentherapie-Klinik gut aufgehoben fühle! Einige der Assistenten dort sind mir in den letzten sechs Wochen geradezu ans Herz gewachsen. Kein Wunder: Sind das doch meine Lebensretter! Nicht akut – aber irgendwann dann doch. Sie machen einen guten Job!
Und: Ohne Ausnahme alle dort sind immer freundlich, aufmerksam und zuweilen sehr zugewandt gewesen. Ich fühle mich bestens betreut dort und bin dem ganzen Trupp insgesamt sehr dankbar! Auch, wenn ich manchmal ein wenig Wartezeit überstehen musste, das spielt insgesamt in dem ganzen Drama um meine Krebserkrankung nun wirklich überhaupt keine Rolle.
So gesehen ist es am Freitag ein kleiner Stich für mich, als sich nach der Bestrahlung die mir sympathischste Assistentin von mir verabschiedet und mir alles Gute wünscht. Ich hätte in der kommenden Woche ja nur noch zwei Termine morgens, und sie hätte Spätschicht. Über solche Abschiede hatte ich noch gar nicht nachgedacht, von daher trifft mich diese Verabschiedung überraschend und unvorbereitet. Irgendwie bedaure ich den Abschied auch spontan ein wenig, verhaspel mich in gut gemeinten Abschiedsformeln.
Damit hatte ich gar nicht gerechnet: Dass es Momente gibt, an denen es mir ein wenig schwer fällt, von der Station Abschied zu nehmen. Wie komisch!
Und ich denke dabei auch an dieses sonderbare, aber irgendwie auch sehr magische blaue Licht, das in meinem Auge während jeder Bestrahlung entsteht. Dies werde ich nach dieser Bestrahlungsfolge wohl nie wieder zu sehen bekommen – Bestrahlungstherapien können nicht verlängert oder wiederholt werden. Wie sonderbar: Von diesem magischen blau-violetten Licht, das es nur für mich alleine gibt, werde ich mich auch verabschieden müssen. Und es gibt keine, keine Möglichkeit, dies irgendwie aufzunehmen. Das gibt es ja nur in meinem Auge. Mein ganz eigenes Licht. In ein paar Tagen heißt es dann: Bye bye, Baby Blue!
Und etwas Erfreuliches gab es noch in der Wochenmitte. Nachdem der Kontakt zu meinem operierenden Augenarzt sich zunächst etwas schwierig gestaltete, wurde mir zugestanden, dass meine eigentlich im April/Mai geplante Operation der Auges zur Entfernung des Silikonöls erst im Herbst durchgeführt werden kann – sofern mein Augendruck in Ordnung ist. Das Öl in meinem Auge sei eigentlich nur für maximal ein Jahr vorgesehen – aber wenn der Wert stimme, dann könne man mit einer OP noch etwas warten.
An diesem Donnerstag dann hatte ich bei meiner Augenärztin dann nach zwei Wochen Wartezeit die entsprechende Untersuchung – und, wie erfreulich: Alles ist im fast optimalen Bereich. Endlich mal was Gutes!
Auch mein Visus, also meine Sehschärfe, hat sich unter den Bedingungen der Bestrahlung nicht verschlechtert, ja, der ist fast noch geringfügig besser geworden. Alles ist gut, also! Auch bei der Besprechung mit den Studenten war schon darüber nachgedacht worden, dass es sicherlich wichtig sei, dies zu kontrollieren bei Bestrahlungen am Kopf. Sicherlich sinnvoll!