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Tag 2192: Sechs Jahre Krebs-Diagnose: Das war’s dann – mit dem Blog über mein Solitäres Plasmozytom

Samstag, 28.11.2020

Der sechste Jahrestag meiner Krebsdiagnose – und jetzt reicht’s mir! Diesen Blog über mein Solitäres Plasmozytom stoppe ich jetzt mal.

Solitäres Plasmozytom
Er ist eigentlich unwichtig geworden für mich, derzeit jedenfalls. Also stoppe ich ihn jetzt. Oder genauer gesagt: Ich pausiere ihn. Mag ja sein, dass er irgendwann in Zukunft mal wieder wichtig für mich wird – wenn das Plasmozytom wieder auftaucht, möglicherweise als Multiple Myelom. Dann lasse ich den Blog halt wieder aufleben – kein Problem!
Die Wahrscheinlichkeit dafür ist gar nicht mal so gering. Die vierteljährliche Suche nach den monoklonalen Leichtketten in meinem Blut wurde in den letzten zwei Jahren immer “erfolgreicher” – soll sagen: Die Werte stiegen langsam, aber stetig an. Und damit sind die Werte dann deutlich über den Normalwerten. Aber die Untersuchungsmethoden für diese meine “Tumormarker” sind auch so fein, sagt mein Onkologe jedenfalls immer, dass man da die allerersten Anzeichen schon ganz früh entdeckt. Und dies sind halt die allerersten Anzeichen der fortschreitenden Erkrankung.
Es ist eben so: Irgendwo in mir wird da noch so ein “Herd” vermutet, bei dem etwas schief geht und der diese sinnlosen Bruchstücke in mein Blut schickt. Aber, wie man mich immer wieder auch durchleuchtet: Man findet nichts konkretes. Kein Herd sichtbar in diversen CT- und MRT-Bildern. Er ist zu klein, zu winzig – unbedeutend, derzeit.
Und – das Gute daran: Dieses ganze Szenario bringt mich kaum noch aus der Ruhe. Im Laufe der Jahre habe ich mich so an dieses ganze Szenario gewöhnt, dass es mich kaum noch nervös macht. Es ist ja nicht gerade etwas, womit man prahlen könnte, aber ich bin inzwischen dermaßen geübt und durchtrainiert, was schwere Erkrankungen anbelangt, dass ich vor keiner mehr fürchte, als vor dem zuweilen brutalen Autoverkehr vor meiner Haustür… Soll doch irgendwann komme, was da wolle: Ich werde jeglichen Erkrankungen schon die Stirne bieten. Und dann wird sich ja zeigen, wer stärker ist!

Membranöse Glomerulonephritis
Aber, vor allem: Wie vor einem Jahr ja schon geschrieben, bin ich mittlerweile ja mit ganz anderen Erkrankungen beschäftigt. Viel beeinträchtigender, viel zehrender, als meine Krebserkrankung ist meine Membranöse Glomerulonephritis. Diese Autoimmunerkrankung meiner Nieren – organisch möglicherweise gar nicht so weit entfernt von meiner Krebserkrankung – hatte ich ja vor einem Jahr in diesem Blog vorgestellt. Und die beschäftigt mich natürlich weiterhin. Das wird bis an mein Lebensende auch so bleiben.
Ein Jahr lang hatte man versucht, die Erkrankung mit konservativen Methoden zu stoppen: Massive Blutdrucksenker, Cholesterinsenker, totale Ernährungsveränderung. Als all dies kaum Veränderungen der Erkrankung zeigte und ich stramm auf dem Weg zu einer “schweren Niereninsuffizienz” und somit auf dem Weg in die Dialyse war, neigten sowohl meine niedergelassenen Nephrologen, als auch die beiden Professoren im UKE (der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf) dazu, dann doch mal massive Methoden anzuwenden, um meine Nieren zu retten. Jedenfalls ein wenig.

Rituximab
Und diese “massiven Mittel” sind bei einer schweren Autoimmunerkrankung: Eine Immunsuppression. Und zwar so richtig! Ja, gut – Kortison wurde mir auch flaschenweise eingeflößt. Aber das eigentlich Mittel der Wahl hieß auf den schönen Namen Rituximab. Der Name sagt schon einiges: “Ri” steht für den Hersteller (da dürfen Sie nun mal überlegen, welche Firma das wohl sein kann…), “tu” – steht für Tumorbehandlung, “xi” – steht für eine chimäre Herstellung, “mab” – für “monoclonal antibody”, also einen monoklonalen Antikörper. Ein künstlicher, biotechnologisch hergestellter Antikörper zur Tumorbehandlung – das soll das Mittel der Wahl zur Behandlung meiner Autoimmunerkrankung sein.
Gerade eben zweimal soll mir dieses Wundermittel per Infusion verabreicht werden. Das soll dafür sorgen, dass die B-Zellen meines Immunsystems, nun ja, gebändigt werden – um es mal auf einen einfachen, kurzen Nenner zu bringen. Rituximab wird vor allen Dingen bei Leukämie und Lymphomen verwendet, auch bei schweren Fällen von Arthritis hat das Medikament eine Zulassung. Man horche auf: Lymphome! Mein Solitäres Plasmozytom gehört immerhin zu der Gruppe der Lymphom-Erkrankungen.
So der Plan, vor ungefähr einem Jahr. Davor steht – die Krankenkasse. Ein Vierteljahr lang überlegt sie, ob sie diese Behandlung bezahlen will. Denn: Rituximab ist für meine Nierenerkrankung, die membranöse Glomerulonephritis, kein zugelassenes Medikament. Es ist eine “off label”-Behandlung. Hierfür muss dann die Zustimmung der Krankenkasse eingeholt werden. Die hat für eine solche Entscheidung drei Wochen Zeit, bei Einholung eines Gutachtens vier Wochen. Meine Krankenkasse tut sich also schwer, mich bei dem von ihr so genannten “Heilungsversuch” zu unterstützen – und überzieht die gesetzliche Frist weit, weit, weit. Wobei: Den Begriff “Heilung” habe ich fast als Hohn der Krankenkasse empfunden, denn meine Erkrankung ist viel zu weit fortgeschritten, um von Heilung noch irgendwie träumen zu können… Aber, nun gut.

Impfungen, Impfungen…
Dieses ewig lange Zögern der Krankenkasse hat auch wieder sein Gutes. Eine Impfärztin gab mir einige dringende Empfehlungen, was man vor der Immunsuppression noch an Impfungen machen sollte. Dann baut das später massiv heruntergefahrene Immunsystem immerhin noch rechtzeitig Erinnerungszellen, also T-Zellen, auf, um sich gegen ungewünschte Eindringlinge wehren zu können.
Na klar, der obligatorische Grundschutz mit Polio, Thetanus, Diphterie und was weiß ich was, war noch nicht überschritten – sollte vorher trotzdem ruhig mal aufgefrischt werden. Klar – die übliche Grippe-Schutzimpfung ist Pflicht. Die dringend empfohlene Pneumokokkenimpfung – kein Problem.
Aber: Die besonders dringend empfohlene Gürtelrosenimpfung – ist ein Problem. Monatelang ist weltweit kein Impfstoff verfügbar. Drei Wochen bevor der erste Rituximab-Verabreichung ansteht, erreichen das staatliche Hamburger Impfzentrum nach mehreren Monaten “Ebbe” exakt 20 Impfdosen gegen Gürtelrose. 20 Impfdosen – für knapp 2 Millionen Menschen in Hamburg… Dass davon dann gleich die benötigten zwei Dosen für mich reserviert werden, ist eine für mich zwar eine günstige Fügung. Spricht aber auch für sich – bzw. dafür, als wie hoch gefährdet man mich einschätzt. Selbst die langsam dringende Immunsuppression wurde noch etwas nach hinten verschoben, um diese Impfung und die Wirkung abzuwarten. Das hat dann geklappt – immerhin.
Für die vielen Verschwörungsmärchen-Erzähler bin ich damit natürlich ein hoffnungsloser Fall: Wahrscheinlich bin ich schon randvoll mit nanokleinen Mikrochips! Kann hier aber versichern, dass ich noch relativ wenig ferngesteuert bin und auch nicht mit Bill Gates oder wem auch sonst zusammen in einer unterirdischen Welt das Blut kleiner Kinder trinke!
Oder, kurz gesagt: Für Verschwörungs-Träumereien gibt es spätestens dann keinerlei Platz mehr, wenn man mit einer ernsten, harten Realität konfrontiert ist! Auf eine Weise sind diese Gläubigen damit ja schon fast beneidenswert – sie können es sich immerhin leisten, in einer Traumwelt zu leben.

Erst kam Rituximab zu mir…
Nachdem meine Krankenkasse dann doch klein beigegeben hat, stoppte man dann Mitte Februar und Anfang März mein Immunsystem mit dem Rituximab. Mit diversen Begleitmitteln flößte man mir bei der ersten Verabreichung gleich zwei Liter Flüssigkeit binnen fünf Stunden ein – was für mich verblüffend unkompliziert ging und erstmal ohne, dass ich etwas davon bemerkte.
Eine Woche später habe ich ein wenig Gliederschmerzen und leichtes Fieber, genau wie bei einem aufziehenden Infekt – was bei der fälligen Voruntersuchung für die zweite Verabreichung, exakt 14 Tage nach der ersten, für Alarmstimmung sorgte. In der Praxis wurde binnen Windeseile zum ersten Mal eine Art “Corona-Modus” gemacht – und ich weiß nicht, ob es eine erstrebenswerte Ehre ist, zu den allerersten in Hamburg zu gehören, bei denen ein ernsthafter Corona-Test durchgeführt wurde.
Der Test war negativ, die Symptome mit Gliederschmerzen und leichtem Fieber gingen nach drei, vier Tagen wieder so plötzlich, wie sie gekommen war. Sicherlich “nur” eine Nebenwirkung des Rituximab! Meinen die Ärzte jedenfalls. Also konnte die zweite Verabreichung Anfang März durchgeführt werden. Die verlief ohne jegliche Nebenwirkungen.

… und dann kam Corona über die Alpen!
Um mich auf das einzustellen, was da auf mich zukam, habe ich mit Beginn des Februars angefangen, einen Modus einzuführen, den mir sechs Wochen später die gesamte Welt nachmacht: Strenge Hygiene, keinerlei Körperkontakt, Abstand halten, Menschenmengen meiden etc. etc. etc. Bei mir notwendig, um mich vor jeglichen Viren und Bakterien zu schützen, für die ich nach der Immunsuppression viel anfälliger bin, als zuvor.
Fast schien es mir absurd, dass mit dem Aufziehen des Corona-Virus jetzt plötzlich überall Desinfektionsspender auftauchten – und ich meine extra gekauften Mittel gar nicht mehr so viel benötigte. Für mich selber ist das Corona-Virus letztlich nur ein weiteres Virus, gegen das ich mich schützen muss – wenn auch ein besonders tückisches und gefährliches.
Kaum habe ich schweren Herzens beschlossen, nicht mehr ins Fußballstadion zu gehen – schon wurde kurz danach jeglicher Fußball weltweit abgesagt (mit Ausnahme von… Weißrussland).
Mit dem Auftauchen des Corona-Virus war es so, als würde die ganze Welt sich mein Problem, mich ja nicht mit irgendwelchen Krankheitserregern anzustecken, zu eigen machen. Es gab das in meinem Umfeld mehr als eine Person, die mich als sonderbaren Trendsetter bezeichnete…
Aber, ganz ehrlich: Es ist auch wirklich überhaupt kein gutes Gefühl, eine so massive Immunsuppression zu bekommen, wenn gerade ein Virus aufzieht, das man gar nicht kennt, gegen das es keinerlei Gegenmittel gibt und das bei geschwächten Personen nur allzu oft tödlich wirkt! Puh! Muss das denn nun auch noch sein??
Muss es wohl! Man kann es sich eben Vieles nicht selbst aussuchen in diesem Leben. Da wird das Leben mit Corona einsamer – aber so geht es eben auch vielen, vielen anderen… Und: Bisher ist das Corona-Virus an mir vorbei gegangen, glücklicherweise. Ob es für mich gefährlicher wäre, als meinethalben der Hamburger Straßenverkehr oder meine Krebserkrankung? Man weiß es nicht.

Rituximab wirkt!
Die künstlichen Antikörper von Rituximab bleiben lange im Blut. Richtig lange. Die maximale Wirkung tritt zwischen drei bis sechs Monaten nach der Verabreichung ein – erst seit Anfang September lässt die Wirkung nach, ganz langsam. Das sieht man an meinen Blutwerten: Es lassen sich mittlerweile wieder einige B-Zellen im Blut finden, die zwischenzeitlich komplett auf Null waren. Und die halt dafür sorgen, Antikörper im Blut aufzubauen. Antikörper, die fehlgeleitet z.B. gegen meine Nierenkörperchen wirken. Oder die – man weiß es nicht wirklich – zur Bekämpfung z.B. von Corona-Viren benötigt werden?
Nun – jedenfalls tut das Rituximab genau das, was es soll. Im Laufe der Monate zeigt sich eine deutliche Entlastung meiner Nieren. Beim Schreiben dieser Zeilen ist die Nierenfunktion tatsächlich wieder im “Normalbereich”. Was für eine Entlastung von Körper – und Seele!
Aber das Rituximab hält nicht ewig, der künstliche Antikörper gegen die bösen natürlichen Antikörper verbraucht sich sozusagen. Wie es weitergeht, weiß man nicht. Es wird sich zeigen. Aber wenn man eh mit mehreren schweren Krankheiten zu tun hat, lernt man da Gelassenheit…

Eine großartige “Nebenwirkung” des Rituximab
Das ist aber noch nicht ganz alles – und das Grund genug, dies alles eben auch in meinen Krebs-Blog zu stellen.
Bei der vierteljährlichen Blutuntersuchung bei meinem Onkologen, er hatte sich nicht sehr in diese Nieren-Behandlung eingemischt, höre ich im Juni Erstaunen in seiner Stimme. Mein gesamtes Blutbild sähe ja so aus, als würde ich gegen ein Multiples Myelom behandelt werden! Das sei ja überraschend.
Nun – ich selber war so überrascht gar nicht. Das Rituximab wird ja auch und gerade für solche Krebs-Erkrankungen eingesetzt, wie ich sie mit dem Plasmozytom hatte, oder habe, oder so…
Lymphome gehören zu den “Zielen” von Rituximab, und so eine Art Lymphom habe ich ja.
Jedenfalls ist es so, dass meine “Tumormarker”, also die “freien Leichtketten” in meinem Blut, die ja wie oben erwähnt langsam aber stetig anstiegen, seit der Verabreichung beständig wieder sinken. Die (zu) hohen Werte haben sich seitdem etwa halbiert. Sie sind zwar immer noch über den Normalwerten – aber, wow: Das nenne ich mal eine klasse Nebenwirkung eines Medikaments! Da wird doch tatsächlich neben der gewünschten Wirkung (also die Entlastung der Nieren für möglichst lange Zeit) auch gleich eine geringfügig vorhandene Tumor-Bildung irgendwo im Körper gleich mit reduziert.
Das sage ich: Potzblitz! Beinahe ein Zaubermittel, dieses Rituximab!

(Vorläufiges?) Ende des Blogs
Aber, alles zusammen zeigt: Ich bin mit vielen gesundheitlichen Dingen beschäftigt.
Da ist dieser Krebs-Blog eher eine “Nebenbaustelle”. Es gibt viele andere Dinge, die mich aktuell mehr beschäftigen, als dieses dämlich Plamozytom. Und die mich auch viel mehr belasten.
Und genau die “Nebenbaustelle” Krebserkrankung lege ich jetzt still. Oder pausiere sie – wie auch immer. Wenn ich mir wieder Dinge in Sachen Plasmozytom von der Seele schreiben muss, dann werde ich das hier sicher tun, denn:
Kommt der Krebs wieder – kommt der Blog wieder. Versprochen!

Bis dahin: Alles Gute! Werden oder bleiben Sie gesund!

TAG 1826: Fünf Jahre Krebs-Diagnose und auf der Suche nach dem Tumor – wieder mal

Donnerstag, 28.11.2019

Ja – auch in diesem Jahr gilt es wieder, meinen “persönlichen Jahrestag” zu begehen: Genau heute vor fünf Jahren ereilte mich damals völlig überraschend die Nachricht, dass ich Krebs habe. Es traf mich, wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Ein solitäres Plasmozytom wurde in der Folge diagnostiziert. Beschreiben tue ich die Vorgänge der damaligen Zeit, vor allem aber meine Befindlichkeiten hier in diesem Blog.
Seit dem Ende der Behandlung und der Rückkehr in ein weitgehend normales Leben habe ich es mir zur Regel gemacht, hier in meinem Blog eine Art Jahres-Zusammenfassung zu schreiben über die Vorgänge und meinen Zustand im abgelaufenen Jahr. Hin und wieder gibt es auch Nachfragen von Leserinnen und Lesern, die wissen möchten, wie es mir denn mittlerweile gehe.
Das schmeichelt mir, vielen Dank für die Rückfragen 🙂

In Sachen Gesundheit: Ein richtig mieses Jahr!
Die ultrakurze Zusammenfassung für das abgelaufene Jahr: Mein Leben ist umgekrempelt und es geht mir gesundheitlich und auch seelisch schlecht. Um nicht zu sagen, pardon: Beschissen!
Was ist passiert? Weiterlesen, da kommt noch mehr…