TAG 20: Regeneration und Zahnarzt

Mittwoch, 17.12.2014

Gott sein Dank bin ich heute noch krank geschrieben! Etwas durcheinander bin ich. Die Operation zur Schließung der Kieferhöhle hat mich wirklich sehr mitgenommen, und so völlig ohne war die Knochenmarkpunktion dann ja doch nicht. Die Nacht habe ich zwar einigermaßen überstanden, dank der Schmerzmittel, die ich daheim noch zu mir genommen hatte.

Morgens ist erstmal ein Anruf auf der Arbeit fällig mit der Nachricht, dass ich heute noch nicht komme, morgen aber wohl wieder anwesend sein werde. Einstweilen gönne ich mir ansonsten einen gemütlichen Vormittag.

Als ich das dicke Pflaster von der Knochenmarkpunktion entferne, traue ich meinen Augen kaum: Es ist nur ein winziges Loch zu sehen, wie ein größerer Insektenstich. Erstaunlich! Die Wunde fühlt sich exakt so an, wie der Arzt es angekündigt hatte – nämlich als ob man etwas Muskelkater im Hintern habe. Kein Problem also!

Mein Mund allerdings fühlt sich völlig verquer an. Ich bin mir sicher: Es wird eine Weile brauchen, bis sich dort alles normalisiert hat.

Ein kontrollierenden Blick darauf will heute meine Zahnärztin werfen. Mal ein Arzttermin, der nicht im UKE ist – auch schön. Ein paar hundert Meter Weg nur, angemessen für den Tag nach dem gestrigen, zweifachen Eingriff.

Meine Zahnärztin ist zufrieden mit dem, was sie sieht, zufrieden mit der Leistung ihrer Kollegen der Kiefernchirurgie aus dem UKE. Eine Zeitlang beratschlagen wir noch, wie es mit meinen Zahnbehandlungen weitergeht. Ein nicht unkompliziertes Thema: Mund und Zähne werden bei Krebstherapien mit großer Wahrscheinlichkeit in Mitleidenschaft gezogen.

Wenn es tatsächlich bei mir zu einer Bestrahlung des Kiefers und der Kieferhöhle kommt, dann wird die Zahnärztin hier sicherlich früher oder später gefragt sein.

Deutlich spüre ich bei diesem Termin wieder meine Ader für schwarzen, oder besser: bösen Humor in mir schlagen. Es juckt mich, die Ärztin etwas böse darauf hinzuweisen, dass ich diesen ganzen Schlamassel doch eigentlich nur ihr verdanken habe. Eigentlich hatte ich doch vor drei Monaten gewollt, dass sie meine Zähne in Ordnung bringt. Aber, NEIN – sie muss ja gleich das ganz große Ding daraus machen und nun würde ich mit einer Krebs-Diagnose klarkommen müssen!

Aber nun gut, ich lasse es bleiben und verkneife mir diese Bemerkungen. Statt dessen nutze ich die Gelegenheit, die Ärztin dafür zu loben und ihr dafür zu danken, dass sie aus ihrem Röntgenbild die richtigen Informationen herausgelesen hatte. Wer könne schon wissen, was werden würde, wenn der Tumor noch nicht entdeckt worden wäre und womöglich noch Monate und Jahre in mir schlummern würde? Womöglich wäre ich dann unrettbar erkrankt… Sie habe alles richtig gemacht – auch, wenn mir jetzt eine unangenehme Zeit bevorstehen würde!

Man sollte seine Ärzte auch mal loben, wenn sie einen guten Job machen – das hatte ich gestern bei meinem Onkologen ja auch schon so gesehen.

Kaum bin ich wieder zuhause, klingelt das Telefon. Eben jener Onkologe ruft an. Man sei sich insgesamt weiterhin recht sicher, dass mein Plasmozytom auf einem lokal begrenzten Raum angesiedelt sein, eben in der Kieferhöhle. Damit sei ich letztlich ein Fall für die Strahlentherapie und gar nicht für ihn, wo er doch Experte für Chemotherapie sei. Von daher habe er für mich schon mal einen Termin bei den Strahlentherapeuten gemacht. Am 29. Dezember solle ich mich dort vorstellen.

In der Onkologie gäbe es für mich einstweilen gar nichts mehr zu tun. Im Juni solle ich mal für einen Kontrolltermin wiederkommen.

Juni, denke ich für mich. Noch vor zwei Wochen war ich mir gar nicht sicher, ob ich da überhaupt noch leben würde. Nun wird mal locker vom Arzt ein Termin für Juni anberaumt. Was für eine Wendung!

Zum Abschluss des Gesprächs weist er noch darauf hin, dass es aus irgendwelchen organisatorischen Gründen nicht möglich ist, mir aus der Onkologie eine Überweisung in die Strahlentherapie zu erstellen. Er hätte auch nie verstanden, was dazu führt, aber das sei eben so. Ich möge bitte von meinem Hausarzt eine Überweisung mitbringen.

Nach dem Hinweis verabschieden wir uns freundlich voneinander. Innerlich bedaure ich das ein wenig – ich bin mit dem Arzt trotz seiner etwas spröden Art bestens klargekommen.

Ein knapper Blick auf den Kalender zeigt schnell: Heute, am Mittwoch, wird es nix mit der Überweisung, weil mein Hausarzt ab mittags dicht hat. Am morgigen Donnerstag müsste ich zwar früher Feierabend machen, könnte aber wahrscheinlich noch vor Schließung der Praxis dort sein. Am Freitag wird wieder mittags Feierabend gemacht – das schaffe ich aus dem Büro auch nicht. Danach ist dann sicherlich schon der Weihnachtsurlaub. Also gibt es einzig und allein morgen die Möglichkeit für mich, die Überweisung zu holen.

Vorweihnachtszeit eben… Und die Erkenntnis, dass so ein Arztprogramm wohlorganisiert sein muss und man sich auch um Kleinigkeiten Gedanken machen muss!

 

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